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3. Juli 2024 | Kommentar der Woche | 

Gertrud Pollak: Herausforderung Einsamkeit


(Foto: preserved-eggs, pixabay.com)

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Kommentar der Woche:

Herausforderung Einsamkeit

Dr. Gertrud Pollak | Bistum Mainz (Foto: basis-online.net)

Dr. Gertrud Pollak | Bistum Mainz (Foto: basis-online.net)

 

 

 

 

 

Gertrud Pollak

Herausforderung Einsamkeit

03.07.2024

Es hat mich sehr nachdenklich gemacht, was ich an Beiträgen zur letzten SWR Aktionswoche vom 17.-23. Juni dieses Jahres und in Berichten dazu aufnehmen konnte. Ein wichtiges Thema stand im Mittelpunkt, das in der heutigen Situation offensichtlich mehr Facetten hat, als ich bisher dachte: „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ war der Titel. Damit war schon eine Lösung formuliert.

Ein vielschichtiges Phänomen

Doch das Thema Einsamkeit hinterlässt zuvor manche Spuren. Ich habe schon länger im Blick und weiß um die Not, vor allem alter Menschen, die aus dem Sozialgeflecht herausgefallen sind, vielleicht auch krank und deshalb isoliert sind. Sie können an vielem einfach nicht mehr teilhaben. Einsamkeit ist für sie eine ganz tiefe, persönliche Not. Doch, dass Einsamkeit immer mehr ein Phänomen ist und wird, das alle Altersgruppen betreffen soll mit einem Anteil, dass jeder Dritte davon betroffen sei – das macht mehr als nachdenklich und auch aufmerksamer. Die Differenzierungen zur wahrnehmbaren und erlebten Einsamkeit, die manche Autoren und Autorinnen vorgestellt haben, sind aufschlussreich.

Deutscher Ethikrat und Strategiepapier der Bundesregierung

Auch bei der diesjährigen Jahrestagung des Ethikrates zum Thema Einsamkeit gab es erstaunliche Gesichtspunkte. Einsamkeit wurde als „existentielle Erfahrung und gesellschaftliche Herausforderung“ beleuchtet. In all den Beiträgen zum Thema wurde zunächst eine Einordnung dieses komplexen Phänomens in Zeit- und Ideengeschichte versucht. Ebenso waren die empirischen Grundlagen aus Sicht der Sozialwissenschaften, der Psychologie und der Medizin anzuschauen. Interessant war es auch, die Ausprägung von Einsamkeit in verschiedenen Lebenslagen und -abschnitten zu untersuchen. Ansätze zum Umgang mit Einsamkeit in Sozialer Arbeit waren ebenso wichtige Perspektiven wie die Beobachtung von Scham und Einsamkeit aus Sicht der Seelsorge und Theologie. Auch Erfolg im Beruf ist keine Garantie, nicht einen schmerzhaften Sinnverlust zu spüren. Der Blick auf einsame Menschen in Führungspositionen erhellte manches. Hier und in anderen Bereichen sind oft soziales Misstrauen und Entfremdung die Folge.

Dass unsere Bundesregierung 2023 ein Strategiepapier zur Vermeidung von Einsamkeit verabschiedet hat, spricht für die neue Aktualität des Problems. Schon in dieser Strategie der Bundesregierung gegen Einsamkeit sind alle Altersgruppen und alle Menschen, die aufgrund ihrer Lebensführung in bestimmten Lebensphasen von Einsamkeit betroffen sein können, eingeschlossen. Ziel der Überlegungen ist, die verschiedenen Formen der Einsamkeit stärker zu beleuchten und ihnen zu begegnen. Genauer hinzusehen hat viele Gründe. Einsamkeit kann nicht nur individuell betrachtet werden. Menschen binden sich nur dort wirklich, wo eine Beziehung entsteht, in der man sich im Wissen um Diskretion fallenlassen kann. Die sozialen Medien sind kein Ersatz für solche hilfreichen Beziehungen, in denen sich eine Person wirklich von jemand anderem getragen fühlt. Nicht umsonst unterscheiden Fachleute echte Freundschaften von den „Freunden“, die man in den sozialen Medien haben kann. Manche nennen diese unterscheidend nur „friendship“ und meinen damit nicht einfach eine Übersetzung ins Englische.

Gegenwirkung und Lösungen suchen

Einsamkeit hat viele Gesichter – die Herausforderung bleibt, sie zu überwinden. Gelingen kann es durch andere, gemeinsam. Doch es sollte auch den Weg geben, solange es geht, selbst initiativ zu werden. Das ist nicht einfach, aber für alle in unserer Gesellschaft notwendig. Es bleibt die Herausforderung, wie mit den gesellschaftlichen und politischen Fragen, die Einsamkeit mit sich bringt, umgegangen werden kann und wer hier in welcher Verantwortung steht. Mir ist im Moment die Beobachtung in meiner Umgebung und das Nachdenken wichtig, wo jemand einsam ist. Außerdem gilt es näher hinzuschauen, was alles Einsamkeit verursachen kann. Machen Sie mit?

Dr. Gertrud Pollak, Vallendar
Ordinariatsdirektorin a. D.
Generaloberin Säkularinstitut Frauen von Schönstatt

Quelle: www.basis-online.net 
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung

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