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3. Juni 2024 | ImPuls - Schönstatt - synodal | 

Synodal – den Ausgang kennt keiner, nur einer. Folge 13 der Serie „Synodales Leben im Bund“


ImPuls - Schönstatt - synodal (Montage: POS, Brehm)

Kurt Faulhaber. Papst Franziskus, für viele ein gescheiterter Reformer. Manche seiner Worte und Gesten würden nur einen reformbereiten Papst suggerieren. Die meistgenannten Beispiele: Öffnung des Zölibats, Priester- und Diakonenamt für Frauen, Anerkennung homosexueller Partnerschaften, Abendmahlsgemeinschaft mit den Kirchen der Reformation. „Papst der Enttäuschungen“ nennt ihn Michael Meier in seinem gleichlautenden Buch[1]. Und Synodalität ein „Zauberwort aus Verlegenheit“.

Man kann das anders sehen. Meines Erachtens geht es um die Frage, auf welchem Weg Reformen geschehen. Durch Beschlüsse (gleich ob von Papst, Bischofssynoden, Laiengremien oder Mischformen) oder durch Prozesse.

Lebensvorgänge brauchen Zeit

Pater Kentenich wehrte sich dagegen, Dinge vorschnell festzulegen. Lebensvorgänge brauchen Zeit, sollen experimentiert werden, werden im Anfangsstadium übertrieben oder bekämpft, müssen erst in ruhigeres Fahrwasser kommen und vor allem: sich bewährt haben. Deshalb sein Votum: nichts zu schnell kodifizieren!  

Lässt sich das auf den Großraum Kirche übertragen, auf die gegenwärtig umstrittenen Themen, vor allem auf schon durch Tradition Bestehendes und Rechtskräftiges?

Beispiel: Im Schlussdokument der Amazoniensynode[2] schlagen die Bischöfe vor, dass „geeignete und in der Gemeinde anerkannte Männer zu Priestern geweiht werden können, … aber auch mit ihrer legitimen, stabilen Familie zusammenleben.“ „Einige haben in diesem Zusammenhang auch dafür plädiert, das Thema auf weltkirchlicher Ebene zu behandeln.“ (111) Begründung: „Manchmal vergehen nicht nur Monate, sondern sogar Jahre, bevor ein Priester wieder in die Gemeinde kommt, um Eucharistie zu feiern, das Sakrament der Versöhnung oder die Krankensalbung zu spenden.“ (111). „Deshalb schreien lebendige Gemeinden geradezu nach der Feier der Eucharistie.“ (110)

Offene Tür?

Wäre das nicht die einladende Offene Tür gewesen, für diesen Notfall verheiratete Priester zu ermöglichen und ein Modell, für ähnliche Situationen weltkirchlich dieselbe Möglichkeit zu eröffnen? In diesem Punkt wird Franziskus die Verweigerung einer Reform vorgeworfen, denn er geht in seinem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben zur Amazoniensynode[3] mit keinem Wort darauf ein! Und sein Schreiben ist verbindlich, nicht das Schlussdokument der Bischöfe.

Aber genau an dieser Stelle zeigt sich exemplarisch, wie Franziskus Reformen angeht. Mit seinem Schweigen gibt er nämlich dem Schlussdokument selber das Wort. Er möchte es „offiziell vorstellen“, lädt dazu ein, „es ganz zu lesen“, will es mit seinem Schreiben nicht „ersetzen oder wiederholen“. (2. und 3.) Damit stellt er den Vorschlag verheirateter Priester in den Raum. (indirekt, wie 2021 in einer Fußnote die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zur Kommunion). Verständlich, wenn man das ein „Herumgeeiere nennt“. Franziskus selber nennt es ein „zum Ausdruck Bringen, welche Resonanz dieser Weg des Dialogs und der Unterscheidung in mir hervorgerufen hat.“ (2.) Genau dies ist das Herzstück eines synodalen Vorgehens.

Synodaler Prozess von Dialog und Unterscheidung

Seine Konsequenz: Er stellt diesen Vorschlag hinein in den Raum der Weltkirche. Genauer: in den synodalen Prozess von Dialog und Unterscheidung. Er verzichtet auf eine ihm zustehende Entscheidung, ja, auf noch weniger: auf eine päpstliche Stellungnahme überhaupt. Wichtig ist der Begriff „Unterscheidung“. Er bezeichnet einen Prozess des gemeinsamen Hörens auf die Stimme des Heiligen Geistes. Bis dieser eindeutig und vom ganzen Volk Gottes vernehmbar spricht.

Erst dann ist etwas entscheidungsreif.

Wie wichtig Entscheidungsreife ist, demonstrieren die Auswirkungen der Erklärung „Fiducia supplicans“ zur Segnung von „Paaren in irregulären Situationen und gleichgeschlechtlichen Paaren.“ Es scheint, dass ersteres, ein Segen für Nichtverheiratete oder nach einer Scheidung Wiederverheiratete von der großen Mehrheit der Gläubigen weltweit angenommen ist. Derselbe Segen für homosexuelle Paare findet in Teilen der Kirche massiven Widerspruch, fast die ganze afrikanische Kirche lehnt das ab. Verfrühte Entscheidungen spalten. Rom bemüht sich, nach zwei Schritten nach vorne wieder einen zurückzumachen. Kirchliche Reformen haben ihre eigenen Wege und Gesetze.

Prozesse mit ungewissem Ausgang, doch geführt vom Heiligen Geist

Bei Entscheidungen zu wesentlichen Reformen reichen nicht Mehrheiten, ob relativ oder absolut; sie brauchen eine größtmögliche Annäherung an Einstimmigkeit. Denn der Geist der Einheit spricht durch eine Stimme, die erst durch weitestgehende Einstimmigkeit zu vernehmen ist. (Zu 100 % ist das meist unmöglich, wie Menschen so sind.)

Ein solches Vorgehen ist in unserer Kirche neu. Wir sind gewohnt: Entweder etwas gilt – oder gilt nicht. Ungewohnt sind für uns Prozesse mit ungewissem Ausgang. Doch geführt vom Heiligen Geist. Nur er kennt den Ausgang.

Das ist ein Weg ins menschlich Ungewisse. Wieder ein Seitenblick zu P. Kentenich: Unsicherheit ist ein Grundmerkmal christlicher Existenz. Sie drängt zur (Pendel-)Sicherheit in Gott. Die Kirche schenkt unserem Glauben Gewissheiten, aber sie darf uns nicht ein abgesichertes System vortäuschen.[4]

Die Konsequenzen:

  • Mit einer synodalen Kirche werden Reformen nicht verhindert oder gebremst. Sie vollziehen sich im Hören und Dialog und nachhaltig auf dem Weg des gelebten Lebens.
  • Sie bremsen auch nicht das Engagement der Gläubigen. Im Gegenteil: Alle sind aufgerufen, sich an Lösungswegen zu beteiligen. Experimente sind erwünscht, Spannungen gehören dazu.
  • Von allen ist ein Offenhalten gefordert:
    • von den Kirchenleitungen: Raum zu geben für Verschiedenheiten; in provisorischen Rahmen Experimente zuzulassen; vorschnelle Festlegungen zu lassen
    • von allen: andere nicht auszugrenzen, ihnen nicht voreilig das Katholischsein abzusprechen und Spaltung vorzuwerfen; aber auch bereit zu sein, zurückzurudern, wenn man zu weit vorgeprescht ist
    • vor allem ein dem Heiligen Geist zuzutrauen, zu gegebener Zeit Wege zu zeigen, Gegensätze zu vereinbaren.

Willkommen in der synodalen Kirche!

Zum Schluss ein erhellender Blick auf das Duo Franziskus und Kardinal Hollerich in der Frage Weihe für Frauen:

Franziskus: Durch Johannes Paul II ist entschieden: „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden“[5]. Den nächsten Satz von Johannes Paul nimmt er nicht so ernst: „dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ Das sei „bindend, aber nicht für immer. Die Theologie müsse das weiter diskutieren“. Es gibt keinen Maulkorb.

Kardinal Hollerich, Generalrelator der Synode Für eine synodale Kirche und Mitglied des Kardinalrates, also Hauptmitarbeiter des Papstes in diesen Fragen. Er macht keinen Hehl daraus, dass er persönlich sich die Priesterweihe für Frauen vorstellen kann. Aber "Papst Franziskus will die Weihe von Frauen nicht, und ich gehorche ihm in dieser Sache vollständig. Aber die Leute diskutieren weiter darüber."[6] Also mahnt er zu Geduld. Wie der Ausgang sein wird? Hollerich: Ich weiß es nicht. Der Heilige Geist weiß es!

Willkommen in der synodalen Kirche!


[1] Der Papst der Enttäuschungen. Warum Franziskus kein Reformer ist (Herder Verlag 2024)

[2] Amazonien. Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie. 2019

[3] Nachsynodales Apostolisches Schreiben QUERIDA AMAZONIA. 2020

[4] P. Kentenich nennt das eine verbürgerlichte oder „seßhafte Kirche“. In ihr darf man mich „nur ja nicht erschüttern“ und „unruhig machen“. „Der Glaube, den wir seit Jahrhunderten gepflegt, das war ein falscher, ein schwindsüchtiger Glaube, der sich des Wagnisses auf der ganzen Linie entwöhnt hat.“ (Exerzitien der Schönstattpatres, November 1966)

[5] ORDINATIO SACERDOTALIS Mai 1994

[6] Interview der kroatischen Wochenzeitschrift "Glas Koncila" am 24. 3. 2023

 


Leser-Resonanz

Dr. Helmut Müller
Vallendar
03.06.2024, 17:29

Meine Meinung zur Frauenordination Kardinal Hollerichs:
Wenn es um Reform geht, fällt mir das Märchen von Igel und Hase ein. Der Igel ist die evangelische Kirche, der Hase die katholische. Kommt der katholische Hase mit einer Reform beim evangelischen Igel an, kann der Igel sie schon vorweisen: Kein Zölibat, innerevangelische Ökumene zwischen Reformierten und Lutheranern, Frauenordination, usw. usf, aber auch jahrzehntelang immer höhere Austrittszahlen. Im Märchen läuft der Hase 73 Mal und bricht beim 74. Mal tot zusammen. Das haben wir jetzt, der Hase hat allerdings – im Gegensatz zum Märchen - das Rennen gewonnen. Wir haben nämlich jetzt höhere Austrittszahlen.
Was lernen wir daraus? Die Ziele überdenken, die eine Reform bringen soll. Nicht rennen mit dem Zeitgeist, sondern darüber nachdenken, was der Geist der Zeit fordert. Das ist allerdings nichts Neues. Schon Jesus hat das von seinen Jüngern verlangt: Umkehr. Auf die Frage eines Reporters was reformiert, geändert werden sollte, hat Mutter Teresa ihre berühmte Antwort gegeben: Sie und Ich. Das ist Umkehr. Auch zur Frauenordination hatte sich Mutter Teresa geäußert: Diejenige, die wie niemand sonst hätte sagen können – das ist mein Fleisch, das ist mein Blut – hat gesagt: Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe wie du gesagt.

 

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