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1. Juni 2024 | Worte des Bewegungsleiters | 

Zukunft hat der Mensch des Friedens


In den Rissen: Zukunft hat der Mensch des Friedens (Foto: pixabay)

In den Rissen: Zukunft hat der Mensch des Friedens (Foto: pixabay)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Seit über zwei Jahren gehören Berichte über Krieg zu den täglichen Nachrichten. Der Krieg in der Ukraine und auch der terroristische Überfall am 7. Oktober 2023 in Israel haben uns verändert. Die Worte Feinde und Verbündete, stetig wachsende Zahlen von Toten und Verwundeten, gigantische Ausgaben für Verteidigung und Rüstung, Proteste und Streit über Beurteilungen sind selbstverständliche Dauerthemen geworden. Sogar atomare Abschreckung oder begrenzter Einsatz von Atomwaffen gehören wieder zu den Überlegungen.

Eric Gujer schreibt in einem Kommentar der Neuen Züricher Zeitung: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Wer diesen Heraklit zugeschriebenen Satz zitierte, wurde vor wenigen Jahren noch als Kriegstreiber beschimpft. … Seit der russischen Invasion in der Ukraine und dem Überfall der Hamas auf Israel gilt man als Realist, wenn man an den Ausspruch des griechischen Philosophen erinnert. Vor allem die Kämpfe in der Ukraine verändern fundamental die Art, wie westliche Gesellschaften über Krieg denken.“1 Wie mit einem Vorhang verdecken wir mit nicht endenden Diskussionen und Kommentaren die schrecklichen Realitäten der Kriege.

Der Katholikentag 2024 in Erfurt stellt mit seinem Motto positiv die Sehnsucht nach Frieden in den Mittelpunkt:

Zukunft hat der Mensch des Friedens (Ps 37,37)

Das Motto ist ein Satz aus einem Gebet; genauer ein Wort aus einem Psalm, entstanden als Gebet oder Lied vor ca. 3.000 Jahren. Einerseits waren die Lebensbedingungen härter und ein alltäglicher Kampf uns Überleben, andererseits konnte man sich das, was wir heute mit „globalen Zusammenhängen“ meinen, überhaupt nicht vorstellen. Das Gebetswort bringt eine sehr konkrete Lebens- und Glaubenserfahrung zum Ausdruck. Zukunft kann man auch mit Nachkommen übersetzen. Es geht um den Bestand der Familie bzw. der Sippe. Unfriede beginnt zwischen Menschen. Es sind konkrete Entscheidungen und Schritte, wenn es dann zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt. Auch damals waren die Leidtragenden der Kriege die einfachen Menschen.

Wo beginnen Kriege heute? Alles ist viel größer geworden: Völker, Staaten, politische Systeme, Konzerne und Wirtschaftsblöcke, mediale Meinungsmacht. Wie viele Menschen, die Entscheidungen fällen, braucht es, damit aus den unüberschaubaren und verwickelten Ansprüchen Kriege werden?

Nach dem Zweiten Weltkrieg saß der Schock tief. Das schreckliche Ausmaß des Leids hat ein Bewusstsein von Weltgemeinschaft und globaler Verantwortung wachsen lassen. Die Vereinten Nationen (United Nations) wurden kurz nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) am 24. Oktober 1945 von 51 Staaten gegründet. Ihre Mitgliedstaaten verpflichten sich dazu, den Frieden durch internationale Zusammenarbeit und kollektive Sicherheit zu erhalten. Mit 193 Ländern gehören heute fast alle Staaten der Welt den UN an. Der ehemalige zweite Generalsekretär Dag Hammarskjöld formulierte im Jahr 1954, die UN „wurden nicht geschaffen, um die Menschheit in den Himmel zu bringen, sondern sie vor der Hölle zu bewahren“. Inzwischen erscheint vielen die UN selbst als ein weiterer Spielball im Konzert der Machtinteressen. Die moralische Autorität des Anfangs scheint verspielt.

Wer ist heute „der Mensch des Friedens“, von dem das Psalmwort spricht? Ich glaube, dass uns heute nicht nur die Auswüchse von Bosheit und Gewalt an den Menschen zweifeln und verzweifeln lassen

Ohnmacht der Guten“ oder wenigsten der Gutwilligen

prägt die Grundeinstellung von sehr vielen. Was kann der Mensch, der Einzelne, was kann ich schon bewirken? Wir erleben es mit, wie aus Stimmen Stimmungen werden, aus Stimmungen Daueraufregung und Proteste und schließlich werden daraus Abstimmungen und Wahlergebnisse, die Regierungen bilden. Trotz aller Ohnmachtsgefühle sind wir Beteiligte. Im konkreten Leben sind wir immer „Mensch des Friedens“, wenn wir Gerechtigkeit und Menschlichkeit leben – oder eben nicht. Frieden ist ein gemeinsames Gut. Zum „Mensch des Friedens“ gehört der Schritt über die Eigeninteressen hinaus. Zweifel, ob das für das große Ganze Bedeutung hat, sollten keine Ausrede werden.

Das Motto ist nicht umsonst Teil eines Gebets. „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ ist eine Zusage, die ein Mensch ausspricht, der vom Glauben getragen ist. Der Psalm geht weiter: „Die Rettung der Gerechten kommt von Gott, ihre Zuflucht zur Zeit der Bedrängnis“ (Ps 37,39). Ohne das Fundament des Glaubens wird globale Ohnmacht zur persönlichen Sinnlosigkeit.

Gott hat im Herzen der Gottesmutter eine Zuflucht geschaffen

Der Mensch des Friedens“ ist ein gläubiges Bekenntnis zum Wert und zur Bedeutung jedes einzelnen Menschen. Und es stellt unser menschliches Tun in die richtige Beziehung zu Gott. Es gehört zum Kern unseres christlichen Glaubens und zum Fundament des christlichen Lebens, dass wir uns und die Welt nicht selbst erlösen. Die Weltgeschichte der Menschheit ist ein deutlicher Anschauungsunterricht dafür, dass wir trotz allem Bemühen weder himmlischen Frieden schaffen noch der „Hölle des Krieges“ entgehen.

Am 25. März 2022 hat als Initiative gegen den Krieg in Osteuropa Papst Franziskus gemeinsam mit allen Bischöfen der Welt die Ukraine und Russland dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht. Das unbefleckte Herz der Gottesmutter ist das Herz „voll der Gnade“ (Lk 1,28). In Maria ist die Gnade der Erlösung in ganzer Fülle Wirklichkeit geworden. Ida Friederike Görres hat Maria deshalb einmal „das unverdorbene Konzept“ Gottes vom Menschen genannt. Je schlimmer und je auswegloser wir Menschen die Wirklichkeit des Krieges erleben, umso wichtiger ist es, nicht am Menschen zu verzweifeln. Wir brauchen den Blick darauf, dass Erlösung eine Realität in der Geschichte ist.

Die schrecklichen Erfahrungen von Schuld, Sünde und menschlicher Bosheit haben nicht das letzte Wort. Das Kreuz und die Auferstehung Jesu haben die Welt verändert. In seinem Weihegebet betet Papst Franziskus deshalb: „Im Elend der Sünde, in unserer Erschöpfung und Hinfälligkeit, in der geheimnisvollen Ungerechtigkeit des Bösen und des Krieges erinnerst du, heilige Mutter, uns daran, dass Gott uns nicht verlässt, sondern stets mit Liebe auf uns schaut, mit dem Wunsch, uns zu vergeben und uns aufzurichten. Er selbst hat dich uns geschenkt und der Kirche und der ganzen Menschheit in deinem Unbefleckten Herzen eine Zuflucht geschaffen2.

Das Magnifikat beschreibt den „Mensch des Friedens“ und seine innere Kraftquelle: „Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Kleinheit seiner Magd hat er geschaut“ (Lk 1, 46-48).

Herzliche Grüße aus Schönstatt

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)


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