Nachrichten

1. Mai 2024 | Worte des Bewegungsleiters | 

Mosaiksteine von Gotteserfahrung


In den Rissen: Maria (Foto: Guethlein, pixabay)

In den Rissen: Maria (Foto: Guethlein, pixabay)

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Mitglieder und Freunde der Schönstatt-Bewegung!

Lauretanische Litanei – Mosaiksteine von Gotteserfahrung

Eine Sympathie-Bekundung für die Gottesmutter – auch noch mit Krone! – hätte ich jedenfalls nicht als ein Graffiti auf einer Hauswand erwartet.

Ein modernes Lied besingt den Namen Maria als „den schönsten Klang, den ich je gehört habe ... sag ihn laut und es ist wie Musik … ich werde nie mehr aufhören, diesen Namen zu nennen … sag ihn leise und es ist fast wie ein Gebet“. Wer das Musical West Side Story kennt, hat wahrscheinlich das Lied erkannt. Nachdem ich nachgeschaut habe, weiß ich nicht mehr, ob ich das Lied als modern bezeichnen kann. 1957 ist West Side Story entstanden. Also schon weit im letzten Jahrhundert und auch noch genauso alt wie ich – das bringt mich jetzt aber auf eine andre Fährte …

Es geht in diesem Musical um die Geschichte von Romeo und Julia, die sich als Liebesgeschichte nicht wie im Original im Mittelalter zwischen zwei verfeindeten Adelsfamilien abspielt, sondern in den kriminellen Auseinandersetzungen zwischen zwei Jugendbanden in der Bronx, in New York. Es ist eine verbotene Liebe, die da wach wird und die den früheren Anführer der Gang völlig verändert. Ausgerechnet in die Schwester des Anführers der rivalisierenden Gang verliebt er sich.

Ich weiß nicht, ob hinter dem Graffiti auch ein Mädchen steckt, dem es gewidmet wird oder doch die Gottesmutter. Da ich nicht der Besitzer dieser Hauswand bin, spüre ich etwas von dem Wunsch einer Person, die etwas für sie ganz Wichtiges ausdrücken möchte. Liebe ist stärker als so manche Grenze. Eigentlich muss sie über das vernünftige Maß wenigstens etwas hinausgehen.

Mystik: unendlich bild- und wortreich – zugeich sprachlos vor dem Unbegreiflichen

In einer Zeit der Überfülle von Eindrücken kann man auch unter psychologischen Ratgebern etwas über Mystik erfahren. Der Buchtitel „Mystik und Coaching“ passt in das Suchen nach Sinn und nach einer Tiefendimension im Leben. Das Leben lässt sich nicht als eine Ansammlung von Methoden leben. Es gibt in uns Menschen eine Sehnsucht nach Sinn. Früher hat man mit Mystik eher ganz außergewöhnliche Erfahrungen verstanden: etwa Erscheinungen, Erschütterungen, übersinnliche Wahrnehmungen. Also Erfahrungen neben den normalen Wirklichkeiten des Lebens, mit denen normale Menschen auch nichts in dieser Art und Weise zu tun haben. Heute geht es oft darum, ein Wort dafür zu finden, dass hinter dem Alltäglichen und Oberflächlichen jeder eine Tiefendimension des Lebens entdecken kann.

Dabei zeigt sich oft eine Spannung und Widersprüchlichkeit, die es schon bei den mittelalterlichen Mystikern gab. Auch uns geht es heute nicht anders. Wenn wir tiefere Erfahrungen des Glaubens oder der Liebe ausdrücken wollen, brauchen wir dafür viele Bilder und Worte und merken gleichzeitig, dass alles Beschreiben ungenügend ist. Bilder und Worte und das Ungenügen aller Bilder und Worte gehören zusammen.

Von Thomas von Aquin sagt man, er habe nach einer mystischen Erfahrung seine Bücher verbrennen wollen. Alles sei nur Stroh gegenüber einer wirklichen Gotteserfahrung. Einerseits helfen alle Alltagserfahrungen mit, das Tiefere des Lebens auszudrücken, andererseits geht die Tiefe der geistlichen Wirklichkeit über unsere Ausdrucksmöglichkeiten hinaus. Gott ist wie … und gleichzeitig ganz anders. Liebe ist wie … und doch ganz anders. Vertrauen ist wie … und doch ganz anders. In dieser Spannung beschreiben wir die Erfahrungen einer tieferen Gewissheit, die nach immer neuen Ausdrucksformen sucht und zum Fundament unseres Lebens wird.

Liebe und die Lauretanische Litanei

Christliche Litaneien haben ihre Vorbilder in antiken und auch jüdischen Gebetsformen. Es sind Lobgebete mit Anrufungen und Wiederholungen im Wechsel zwischen Vorbetern bzw. Vorsängern und der ganzen Gemeinschaft, die mitbetet.

Die Lauretanische Litanei besingt die Gottesmutter Maria im göttlichen Heilsplan. Der Name dieser Litanei kommt von dem italienischen Marienheiligtum Loreto (lateinisch: Laureta). Der Text wurde im 16. Jahrhundert in dieser Form bestätigt. In den deutschsprachigen Ländern verdankt die Litanei ihre Verbreitung den Jesuiten. Petrus Canisius brachte sie aus Loreto mit, ließ sie 1558 in Dillingen drucken und in allen Jesuitenkollegien einführen. Auch die Anrufung „Wunderbare Mutter (mater admirabilis)“ stammt aus der Lauretanischen Litanei. Pater Jakob Rem im Jesuitenkolleg in Ingolstadt hat diese Anrufung besonders hervorheben lassen durch mehrfache Wiederholung und durch die Formulierung „Mater ter admirabilis“. Das kann man mit „überaus wunderbar“ oder mit „dreimal wunderbar“ übersetzen. Daraus ist für das Marienbild in Ingolstadt der Titel „Dreimal Wunderbare Mutter von Ingolstadt geworden. Zwar haben wir nicht das Bild, aber doch diesen Titel von der marianischen Kongregation in Ingolstadt für das Marienbild in Schönstatt übernommen.

Wiederholungen und viele Bilder: Das ist eine Sprache der Liebe. Wer verliebt ist, hat das schon erlebt. Alle möglichen Situationen und Dinge, Bilder und Musik erinnern an die andere Person. Aus dem Kontakt in Gedanken werden Kurznachrichten und E-Mails, verschickte Fotos und Anrufe. Und manchmal auch Geschenke.

Die Worte und Wiederholungen einer Gebetslitanei gehen noch ein bisschen tiefer. Die vielfältigen Anregungen haben einen Sinn und bringen unterschiedliche Aspekte zum Leuchten. Das Singen der Lauretanischen Litanei ist eine vielfältige Liebeserklärung an die Gottesmutter und eine reichhaltige Betrachtung über die Rolle des Menschen in den Plänen Gottes. Im Staunen über den Segen und das Heilshandeln Gottes wächst unser Vertrauen, dass auch wir dieses Heilshandeln brauchen und dass es auch uns erreicht. Im Blick auf Josef Engling, einen der jugendlichen Mitgründer Schönstatts, sagte Pater Kentenich einmal, dass wir von ihm etwas lernen könnten. Bei ihm gehörten die Liebe zur Gottesmutter und die Bereitschaft, aus dieser Liebe konkret zu werden, immer zusammen. Der Mai als besonderer Marienmonat war für ihn in dieser Hinsicht eine besonders kreative Zeit.

Vielleicht könnten wir ja in diesem Mai einmal (wieder?) die Lauretanische Litanei singen (GL 566). Wann haben Sie wohl das letzte Mal einer anderen Person ein Liebeslied gesungen? Die Lauretanische Litanei können jedenfalls sogar notorische Nicht-Singen-Könner und -Könnerinnen hinbekommen. Oder schauen Sie mal, ob Ihnen die einzelnen Worte aus der Wortwolke auf der Rückseite des Bündnisbriefes bekannt vorkommen.

Ich wünsche Ihnen einen frohen Mai.

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)

Jahresmotto 2023/2024 der Schönstatt-Bewegung Deutschland (Motiv: Hanna Grabowska)


Top