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20. April 2022 | Deutschland | 

Wo Schicksal zum Sinn und zur Berufung für das Lebens wird - Gedenkplakette in Oberhausen enthüllt


Pater Ludwig Güthlein segnet die neu enthüllte Plakette am Gelände des Vincenzhauses in der Grenzstraße in Oberhausen (Foto: Reiling)

Pater Ludwig Güthlein segnet die neu enthüllte Plakette am Gelände des Vincenzhauses in der Grenzstraße in Oberhausen (Foto: Reiling)

Gisela Koczura/Hbre. Nach einer zweijährigen Abstinenz aufgrund der Corona-Pandemie trifft sich die Schönstattfamilie des Bistums Essen am 12. April 2022 zu ihrem traditionsgemäßen „Oberhausentag“ beim Vincenzhaus. Für dieses Jahr hat sie sich etwas Besonderes vorgenommen: Eine seit 2020 fertiggestellte Gedenktafel soll an der Außenbegrenzung des Vincenzhauses, einem ehemaligen von Arenberger Dominikanerinnen geführten Waisenhaus, angebracht und gesegnet werden. Damit soll an entscheidende Momente im Leben des damals neun Jahre alten Josef Kentenichs, der später zum Gründer der heute weltweit verbreiteten Schönstatt-Bewegung wurde, erinnert und diese in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.

Die Plakette mit Hinweisen zum Leben von Josef Kentenich ist am Zaun des ehemaligen Waisenhauses Vincenzhaus in der Grenzstraße in Oberhausen angebracht (Foto: Reiling/Leisse)

Die Plakette mit Hinweisen zum Leben von Josef Kentenich ist am Zaun des ehemaligen Waisenhauses Vincenzhaus in der Grenzstraße in Oberhausen angebracht (Foto: Reiling/Leisse)

Schlüsselereignisse mit Tragweite

Am 12. April 1894 brachte Katharina Kentenich ihren achtjährigen Josef in das Waisenhaus nach Oberhausen und übergab ihn in die Fürsorge der Arenberger Dominikanerinnen. Als alleinerziehende Mutter konnte sie selbst wegen ihrer Berufstätigkeit außerhalb ihres Wohnortes nicht mehr umfänglich für ihren Sohn sorgen. Sie war sich der Tragweite dieses Schrittes wohl bewusst und in ihrer Verzweiflung, diesen Schritt tun zu müssen, empfiehlt sie aus ihrem religiösen Verständnis heraus ihren Sohn Maria, der Mutter Jesu. Sie möge nun in Zukunft Mutter und Erzieherin ihres Sohnes sein, war Katharinas Wunsch. Dieser Akt der Hingabe an Maria wurde von dem kleinen Josef bewusst mitvollzogen und zu einem Schlüsselereignis für sein Leben. Es führte ihn in eine große Marienliebe und wurde – wie er es selbst in späteren Jahren einmal vorsichtig deutete – „zum Wurzelstock der Spiritualität Schönstatts“. Erfahrungen aus diesen Lebensjahren, Erlebnisse von Unfreiheit und fehlender Individualität, veranlassten Pater Josef Kentenich in späteren Jahren gegensätzliche Erziehungskonzepte zu entwerfen, die auf Individualität und Freiheit beruhten.

Ludwig Güthlein ISch: Predigt in der Hauskirche des Vincenzhauses (Foto: Gabriele Leisse)

Ludwig Güthlein ISch: Predigt in der Hauskirche des Vincenzhauses (Foto: Gabriele Leisse)

Eucharistiefeier in der Hauskirche des Vincenzhauses anlässlich der Enthüllung und Segnung der Plakette zum Leben von Josef Kentenich  (Foto: Gabriele Leisse)

Eucharistiefeier in der Hauskirche des Vincenzhauses anlässlich der Enthüllung und Segnung der Plakette zum Leben von Josef Kentenich  (Foto: Gabriele Leisse)

Von Schicksalhaftem geprägt

Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung greift in seiner Predigt bei einem im Geiste der Karwoche schlicht gehalten Gottesdienst, zu dem Mitglieder aus der Essener Schönstattfamilie, Marienschwestern aus Vallendar-Schönstatt, Borken, Euskirchen und vom Oermter Berg bei Issum angereist sind, das Schicksal des jungen Josef Kentenichs auf. Das Leben des Kindes Josef Kentenich sei nicht nur normal, selbstverständlich, fröhlich und zuversichtlich verlaufen, sondern die Umstände seiner Kindheit, die Umstände, die ihn in das Waisenhaus von Oberhausen gebracht hätten, seien auch von Schicksalhaftem geprägt gewesen. Dieser Ort in Oberhausen sei wie ein Symbol dafür, dass Josef schon in jungen Jahren Schicksal getragen und erlebt habe. Martin Buber spreche einmal davon, dass „dem Freien [], als das Gegenbild seiner Freiheit, das Schicksal entgegen [schaut]“. Das Schicksal sei nicht Grenze, es sei Ergänzung. „Freiheit und Schicksal umfangen einander zum Sinn“, so Buber weiter, „und im Sinn schaut das Schicksal, die eben noch so strengen Augen voller Licht, wie die Gnade selber drein.“ Er glaube, so Pater Güthlein, dass der Tag, an dem ihn seine Mutter der Gottesmutter geweiht habe, für Josef Kentenich ein Tag geworden sei, wo ihm „etwas aufgegangen ist, wo das Herz der Gottesmutter für ihn aufgegangen ist, aber wo auch die Gottesmutter an sein Herz geklopft hat und ihm das Herz aufgegangen ist und plötzlich ein besonderes Licht, eine besondere Liebe in ihn hineingekommen ist.“ So sei das Schicksal für ihn zum Sinn, zur Berufung seines Lebens geworden.

Mit Maria gelebt

Neben dem Wort Schicksal stehe so ein zweites Wort eindringlich über diesem Tag. Das sei das Wort „Maria“. „Sie ist in sein Leben hineingekommen, und er hat die Treue ihr gehalten und sie hat sie ihm gehalten.“ Die Liebe der Gottesmutter und die Liebe zur Gottesmutter seien so zu einem Wurzelvorgang Schönstatts geworden.

Zeugnis für die göttliche Barmherzigkeit

In diesem Sinne werde die an diesem Tag zu enthüllende Gedenktafel am Zaun des Vincenzhauses, die zunächst ja nur eine Information sei, zur Herausforderung, durch das Zeugnis des eigenen Lebens zu einer Botschaft zu werden. Pater Kentenich gebe, wie er gegen Ende seines Lebens selbst betont habe, Zeugnis für die göttliche Barmherzigkeit, die noch viel größer sei, als er bis dahin gedacht habe. Jede und jeder, so Güthlein, sei herausgefordert sich die Frage zu stellen, „welches Zeugnis auf einer Gedenktafel stehen würde, die an meinem Haus, an meiner Tür oder an meinem Herzen hängen würde.“

Auf dem Weg zur Enthüllung der Plakette (Foto: Reiling)

Auf dem Weg zur Enthüllung der Plakette (Foto: Reiling)

Gisela Koczura, Schönstattfamilie im Bistum Essen, und Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland, enthüllen die Plakette (Foto: Gabriele Leisse)

Gisela Koczura, Schönstattfamilie im Bistum Essen, und Pater Ludwig Güthlein, Leiter der Schönstatt-Bewegung Deutschland, enthüllen die Plakette (Foto: Gabriele Leisse)

Die Plakette (Foto: Reiling)

Die Plakette (Foto: Reiling)

Enthüllung der Gedenktafel in der Grenzstraße

Nach der Eucharistiefeier, die im Geiste der Karwoche schlicht gehalten wird, versammeln sich die Gottesdienstbesucher und ziehen in Prozession zur Grenzstraße, wo bereits die Gedenktafel angebracht, aber noch verhüllt ist. Zur Segnung der Tafel durch Pater Güthlein wird nun das Tuch abgenommen und das Signet der Schönstatt-Bewegung und der Text werden für alle sichtbar:

Das Vincenzhaus war von 1882-1928 ein Waisenhaus.
Am12. April 1894 brachte Katharina Kentenich
ihren achtjährigen Sohn in die Obhut
der Arenberger Schwestern.
Er blieb hier fünf Jahre.
Am 18. Oktober 1914 gründete Josef Kentenich
die Schönstattbewegung,
die heute weltweit verbreitet ist.

Marie-Luise Langwald, Mitglied der Gemeinschaft „Frauen von Schönstatt“, stellt in der Statio einen Bezug her zwischen der neu enthüllten Gedenktafel und einer Bundestafel im Alten Testament (Ex.32,15-16): „In gewisser Weise ist unsere Tafel auch eine Bundestafel. Sie erinnert daran, dass wir durch Pater Kentenich angeregt worden sind, den Bund mit Gott zu leben, der in unserer Taufe grundgelegt wurde, und in den Liebesbund mit Maria einzutreten“, so Langwald. Und sie mahnt: „Was die Kirche einmal vom Gründer Schönstatts sagen wird, das entscheidet sich in unserem Leben.“ In diesem Sinne richtet die Gedenktafel nicht nur den Blick auf die Ereignisse, die sich in Oberhausen an der Grenzstraße abgespielt haben, sondern auch in die Zukunft als Auftrag an die Schönstattfamilie.

Unter den Blicken der Menschen, die aus den Fenstern schauen, und unter dem Getöse der vorbeirauschenden Autos schließt die Feier mit der kleinen Marienweihe: O unsere Königin… und dem Lied: „Dreifaltiger Gott, sei ewiglich gepriesen.“

 


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