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18. Januar 2020 | Worte des Bewegungsleiters | 

Klima Maria Lebensschule und Alltagskompetenz


Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Jahresmotiv 2020 der Schönstatt-Bewegung in Deutschland (Grafik: Maria Kiess / POS Brehm)

Liebe Mitglieder und Freunde unserer Schönstatt–Bewegung,
liebe Leserinnen und Leser von www.schoenstatt.de,

Obwohl wir alle schon die unterschiedlichsten Weihnachtskarten und -bilder gesehen haben, begegnen einem immer wieder überraschende Aktualisierungen der biblischen Weihnachtsmotive. Mir ging es so, als ich den Text unter einem sehr vertrauten Bild las.


Das Bild zeigte Maria mit dem Kind auf einem Esel, der von Josef geführt wird. Darunter stand jedoch nicht „Flucht nach Ägypten“ sondern „Heimkehr aus Ägypten“.

„Heimkehr aus Ägypten“

Während es viele Legenden und Erzählungen gibt, die die Erfahrungen der Flucht ausmalen und zu einer bunten Märchenvielfalt ausgestalten, habe ich noch nie eine Betrachtung gelesen oder für mich angestellt über die Heimkehr. Die innere Stimmung ist ja ganz anders. Sicher auch gemischt. Dankbarkeit für die Heimat und das Zuhause, auf die man zugeht, und doch auch Ungewissheit, wie der Neuanfang gelingen wird. Erwartet uns eine ruhige Zeit oder geht es mit den Überraschungen weiter?

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Klima Maria (Text: Ludwig Güthlein)

Ist die Bedrohung jetzt – Gott sei Dank – vorbei oder geht es um mehr? Ist die Erfahrung von Bedrohung, Flucht und Schutz auch eine Lebensschule, in der Gott etwas verstärken möchte, was später wichtig sein wird?

Für Pater Kentenich war das bei allen Ereignissen, die er immer als Fingerzeige Gottes betrachtete, immer auch ein Aspekt: Was sagt mir Gott dadurch, und will er mich vielleicht auf etwas vorbereiten? Als er 1941 durch die Gestapo verhaftet wurde, lag über diesen Wochen die Frage, ob aus der Inhaftierung im Gefängnis in Koblenz eine Lagerhaft in einem Konzentrationslager werden würde. Als dann ein Mitgefangener, der die ganze Situation nervlich nicht mehr verkraftete, zu ihm in die Zelle gelegt wurde, damit er eine Hilfe hätte, war das für Pater Kentenich Anlass für eine weiterführende Betrachtung.

Seit Jugendjahren war er es gewohnt, alleine für sich ein Schlafzimmer zu haben. Dass jetzt in diesen gewohnten, persönlich geschützten Raum ein anderer hineinkam, war etwas Besonderes. Pater Kentenich ging den inneren Gefühlen nach, was das heißt, auch diesen persönlichen Raum nicht mehr zu haben. „Und dann“, so sagt er, „war ich bereit, auch zur Lagerhaft Ja zu sagen, wenn Gott das so möchte“. Von seiner Haltung her war er natürlich „sowieso“ bereit für das, was Gott von ihm möchte. Aber auch mit den unbewussten Reaktionen, mit dem ganzen Herzen bereit sein können, das ist immer auch ein zusätzliches Wachstum.

Raues Klima weckt Widerstandskraft

Pater Kentenich zitiert einmal eine isländische, mittelalterliche Tradition und Formulierung. Ein Mann, der eine besondere Lebenssituation oder Lebesaufgabe vor sich hat, müsse eine besondere Prüfung in der Wildnis auf sich nehmen. „Das wurde nach dem dortigen Empfinden als etwas überaus Großes erlebt und auch groß und als Großes hingestellt, wenn er den Mut hatte, ins Holz, in den Wald zu gehen, um aus eigener Kraft jetzt ein neues Leben aufzubauen und nachher innerlich erneuert wieder herauszukommen. Verstehen Sie jetzt das Bild?“ Und er meint, das gilt für uns heute: „Der Einzelne muss wieder in den Wald, in das Gehölz gehen.“

Wir können die äußere Gesamtsituation oft nicht einfach ändern. „Das geht einfach wie ein Ungewitter über die heutige Zeit hinweg. Äußerlich kann man da kaum etwas dagegen tun. Aber innerlich muss man sich feien. Und wodurch feie ich mich am meisten? Dadurch, erstens, dass ich lerne, urpersönlich mich zu entscheiden. Und das ist das schwerste in der Erziehung heute … und zweitens: urpersönlich lieben lernen.“

Die eigene Antwort leben, darauf kommt es ihm an. Dass ich aus meiner eigenen Tiefe heraus entscheiden, handeln und lieben kann.

Schwierigkeiten und Schicksalsschläge, eine Lebensschule für meine Berufung

Gerade das, was in meinem Leben nicht glatt läuft, ist oft in besonderer Weise eine Lebensschule für mein Wachstum und meine Berufung. Im Blick auf die kulturellen und sozialen radikalen Unterschiede in der Welt hat man Exposure-Programme als Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten ausgearbeitet. „Exposure“ meint, sich einer Erfahrung „aussetzen“. Existenzielle Fragen und Antworten lernt man nicht aus Büchern. Situationen müssen einen wirklich betreffen, damit tiefere und echtere Antworten reifen können. „Exposure- und Dialogprogramme sind Fortbildungs- und Dialogangebote zu nachhaltigem und verantwortungsvollem Handeln für Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellschaft“, heißt es auf einer entsprechenden Homepage (https://edpev.de/programme/).

„Exposure“ ist auch die Methode Gottes, wie er uns Wachstumswege führt. Für die Wirksamkeit seiner Impulse braucht es jedoch oft die Wachheit und Bereitschaft, etwas auch mit Wachstumsbereitschaft anzuschauen. Oft bleiben wir beim Ärger stehen, wenn uns etwas querkommt.

Nicht nur „Flucht nach Ägypten“, sondern auch „Heimkehr aus Ägypten“. Bedrohungen und auch Erfahrungen von Gottes Schutz mit Erschütterung und Ergriffenheit erlebt haben, macht uns zu Menschen mit größerer Tiefe. Aus Oberflächlichkeit wird ein Alltag mit Tiefe. Das Suchen nach den Spuren Gottes und die Dankbarkeit für seine Nähe sind dauerhafte Begleiter.

Ein neues Jahr beginnt. Wir dürfen mit vielen Fingerzeigen Gottes rechnen. Seine Wege kennen Herausforderungen und sind doch immer Segenswege!

Das ist mein Neujahrswunsch für Sie vom Urheiligtum

Ihr

P. Ludwig Güthlein
Schönstatt-Bewegung Deutschland


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