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24. Dezember 2015 | Was bewegt | 

Serie Teil X: Den kühnen Weg des Glaubens nachgehen


Auf dem Weg zum "Wunder der Heiligen Nacht" (Foto: Blank)

Auf dem Weg zum "Wunder der Heiligen Nacht" (Foto: Blank)

Alicja Kostka. Nach 14jähriger Exilszeit in Milwaukee und turbulenten Tagen in Rom, wohin er durch ein Telegramm gerufen wurde, sowie nach einer bedeutsamen Audienz bei Papst Paul VI. am 22. Dezember 1965, muss es für Pater Josef Kentenich eine große Freude gewesen sein, am 24. Dezember 1965 nach Schönstatt kommen zu können, um im Urheiligtum die Weihnachtsmette zu feiern und eine Begegnung mit der von ihm gegründeten Schönstatt-Bewegung zu haben. Das passierte mit Zustimmung des damaligen Bischofs von Münster, Joseph Höffner, der ihn in seine Diözese aufgenommen hatte und auch mit Zustimmung des damaligen Provinzials der Pallottiner, Ludwik Münz, zu dessen Gemeinschaft Kentenich ursprünglich gehörte. Diese Möglichkeit bezeichnet Pater Kentenich selbst als „Wunder der Heiligen Nacht“. Bei seiner Ankunft im Urheiligtum entstand das bekannte Foto von J. Blank, das diese Serie von Anfang an begleitet hat.

Weihbischof H. Tenhumberg berichtet in seinem Tagebuch:

Aus dem Konzilstagebuch von Weihbischof H. Tenhumberg

„Die Ankunft von Herrn Pater in Frankfurt stand für Hl. Abend, kurz nach 15 Uhr, fest. Ich habe dann noch am Morgen des Hl. Abends mindestens sechs bis sieben Mal nach Rom telefoniert, zweimal mit P. Provinzial Münz, drei bis vier Mal mit unserem Bischof, einige Male mit den Leitungen in Schönstatt. Dabei wurde es höchste Zeit, daß ich mit dem Auto weg kam, um pünktlich am Flughafen Frankfurt zu sein. (...) Herr Pater hat sich selbst ganz riesig darüber gefreut, als ich ihm dann schließlich - es war schon kurz bevor er selbst in Rom zum Flughafen abfahren mußte und ebenfalls wurde es für mich höchste Zeit, mit dem Auto zum Flughafen Frankfurt zu fahren, - mitteilen konnte, daß er mit Zustimmung des Bischofs von Münster und des P. Provinzial Münz in der Weihnachtsnacht oder am Weihnachtstag im Kapellchen in Schönstatt zelebrieren dürfe. Herr Pater sagte dann: „Dann haben wir ja alles, was wir gewünscht haben. Das ist das Wunder der Heiligen Nacht!“. Er dankte mir und ist dann offensichtlich mit großer Freude nach Frankfurt geflogen, wo ich ihn dann schließlich kurz nach 15 Uhr auch mit vielen anderen, die gekommen waren, begrüßen konnte. Unterwegs haben wir dann gleich bei P. Provinzial Münz in Limburg einen Besuch gemacht und ihm gedankt, daß er die Erlaubnis gegeben habe, daß Herr Pater in Schönstatt zelebrieren dürfe. Ebenso zeigte sich ein Pallottinerpater, der für die Mitternachtsmetten in Schönstatt bereits für das Kapellchen vorgesehen war, sehr vornehm und trat zurück, ebenso war es P. Rektor Dr. Köster von der Theologischen Hochschule, der dazu seine Zustimmung gab. Das wollen wir herzlich gern und dankbar anerkennen, wie ich das dann schließlich auch bei der Begrüßung Herrn Paters in der Aula der Marienschule bekanntgegeben habe, damit die Friedensgesinnung auf allen Seiten wachsen könne.“

(H, Tenhumberg, Konzilstagebuch, 512)

Das Wunder der Heiligen Nacht heute

Der Heilige Abend 1965 war gewissermaßen die Krönung des kühnen Glaubens Pater Kentenichs und seines Anliegens, seine geistige Familie auf diesen Weg der gegenseitigen Liebe einzuladen. Für das besondere Eingreifen Gottes in die Geschichte auf diesem Weg, hat er das Wort: „Wunder der Heiligen Nacht“ gebraucht. Dieses „Wunder“ will sich in seiner Potentialität immer neu und immer mehr ereignen. Es soll – wie der Gründer bei seiner Ankunft am 24.12.1965 sagte, „die Familie ständig in Bewegung halten“.

„In der ganzen Fülle ist uns das Wunder der Heiligen Nacht nicht geschenkt worden.“ – so die Begrüßungsworte Kentenichs direkt nach dem Dank für alles Mitgehen der Familie in all den Jahren der Trennung. Er erwartete damals schon, dass sich spätestens nach 30, 40, 50 Jahren wieder ein neues Wunder ereignen würde, weil die Familie immer wieder auch in Phasen der Auseinandersetzung hinein gestellt sein würde. Wie der Rückblick auf Weihnachten 1941 lehrt, geht es immer auch um das Engagement der ganzen Familie – in Verbindung mit dem Vater und Gründer.

Was ist der Anruf des Augenblicks heute? Welche Gestalt will das Wunder am Beginn des neuen Jahrhunderts Schönstatts annehmen? Fragen und Gedanken dazu bewegen viele. Richtungsweisende Impulse sind in der Weihnachtsbotschaft des Generalpräsidiums zum 8. Dezember 2015 enthalten. Mögen sie unsere Herzen in dieser weihnachtlichen Zeit berühren und den Traum des Gründers mit ihm und der Familie weiter träumen lassen.

Ein unübersehbares Eingreifen Gottes in diesem Kontext (dies war für Kentenich ein wichtiges Kriterium dieses Wunders) ist die Ankündigung des Jahres der Barmherzigkeit. Aus schönstättischer Perspektive rückt dieses Jahr der Barmherzigkeit die Botschaft Kentenichs vom barmherzigen Vatergott, die er in einem Weihnachtsbrief (vom 13.12.1965) an seine Familie vor 50. Jahren als Frucht der leidvollen Exilsjahre zusammengefasst hat, unmittelbar in den Vordergrund. Die Konvergenz der beiden Ereignisse ist auffallend. Ein Kairos – eine Zeit der Gnade – für die Barmherzigkeitsbotschaft Schönstatts, die bis dahin eher im Schatten lag? In Pater Kentenich ist das Antlitz des Barmherzigen Vaters (Die Bulle zur Ankündigung des heiligen Jahres hat den Titel: Misericordiae Vultus! = Antlitz der Barmherzigkeit) für unendlich viele sichtbar und konkret erfahrbar geworden. Gerade in verworrenen und unbegreiflichen Situationen des Lebens, mitten in Scheitern und Versagen führte er zur tieferen Quellen des Lebens, durch sein barmherziges Herz.

24. Dezember 1965 im Urheiligtum: Pater Josef Kentenich (Foto: Blank)

24. Dezember 1965 im Urheiligtum: Pater Josef Kentenich (Foto: Blank)

Der Weg zur Vollendung des Wunders der Heiligen Nacht

Am Heiligen Abend 1966 fügte Pater Kentenich weitere Dimensionen des Wunders der Heiligen Nacht hinzu, die zur „Vollendung“ dieses Wunders, zu seiner „Abrundung“, gehören: die freie Benutzung des Urheiligtums und ebenso die freie Verfügbarkeit des Bundesheimes. Ein großer Glaube stand hinter dieser Hoffnung. Wenn seine Ankunft in Schönstatt schon als „Wunder“ erlebt wurde, so konnte man damals von der Verfügung über das Kapellchen und über das ehemalige Bundesheim nicht einmal träumen. Dennoch lud er die Familie auf diesen Glaubensweg ein.

In der Zwischenzeit ist das kühn erwartete Wunder mehr und mehr in Erfüllung gegangen: Das Kapellchen hat die Gottesmutter am 22. Mai 2013 unerwartet und kurz vor dem Jubiläum der Familie geschenkt; eine großzügige Geste der Gemeinschaft der Pallottiner machte es möglich. Dies geschah nach einem intensiven geistlichen Einsatz der ganzen Familie, konkret durch die weltweite Pilgerschaft des Vater-Symbols. Die freie Benutzung des Heiligtums war eine Voraussetzung dafür, das Jubiläum 2014 entsprechend würdig und gelockert feiern zu können: eine mütterliche Zuvorkommenheit der Partnerin im Bündnis, zur rechten Zeit.

Durch die Stiftung eines großherzigen Spenders aus Lateinamerika, Herrn Fernando Arrau, Chile, konnte bereits vor Jahren das Bundesheim von den Pallottinern erworben und eine denkbare Zweckentfremdung damit verhindert werden. Nun steht aber noch die Entdeckung aus, was die Gottesmutter mit dem Haus will, in dem Pater Kentenich über 20 Jahre zuhause war. Es war seine „Hauptwirkstätte“. Dort hat er die Bewegung in den zwanziger und dreißiger Jahren in einem großen Aufbruch aufgebaut. Von dort aus ist er für die Familie den Weg nach Dachau gegangen. Von dort aus wurde er ins Exil geschickt. Nach seiner Rückkehr aus dem Exil durfte er nicht mehr dorthin zurück. Sein Zimmer wurde 1958 endgültig ausgeräumt. Das Bundesheim – so dürften wir annehmen – war das Objekt seiner Sehnsucht, nicht nur in Milwaukee, sondern auch als er auf Berg Schönstatt wohnte und auf dem Weg ins Tal viele Male an ihm vorbei fuhr. Die wechselvolle Geschichte des Hauses, die jahrzehntelange Verlassenheit mitten in Schönstatt und mehrere Versuche, es zu verlebendigen, sind ein Spiegelbild der Geschichte Schönstatts und noch mehr der Geschichte des Gründers und Vaters.

Ob nun die Familie der Verlassenheit und dem Dämmerschlaf des Hauses ein Ende setzt in einem neuen Cor unum cum Patre?

Mitten in Schönstatt steht das Haus seiner Sehnsucht, das eine große Geschichte und eine Sendung in sich birgt. Ein wichtiger Ort seiner Wirkung und seiner Präsenz. Pater Kentenich selbst war sich dieser Dimensionen bewusst, wenn er mitten im Exil schrieb:

„In verflossenen 50 Jahren war meine Hauptwirkstätte das Bundesheim. Ob der Geist, der während dieser Zeit sich durchgesetzt hat, so tief in die Mauern eingedrungen ist, dass er durch die Kämpfe der letzten 10 Jahre sich behaupten konnte? – Den Beweis dafür wird die Zukunft erbringen.“ J. Kentenich 20.7.1960, Milwaukee

Ob er die Familie jetzt einlädt, die Sendung des Bundesheimes neu „zu erobern“ und damit sein Charisma fürs Heute und für die Zukunft mehr zu entdecken? Gerade angesichts der vielen Unsicherheiten um das Haus ist das Vertrauen verlangt, das sich auf das heroische Vertrauen des Gründers und seinen Glauben an die Vollendung des Wunders stützt. Lädt er „Schönstatt heute“ jetzt ein, mit seinen Augen dieses Haus und seine Zukunft zu sehen?

Nach dem Heimgang von Fernando Arrau in diesem Jahr gibt es Zeichen, dass das Haus der Schönstatt-Bewegung ganz übergeben werden könnte. Das war ja von Anfang an das Ziel von Herrn Arrau und seiner unglaublichen Schenkung im Jahr 1997. Während des Jubiläums ist das Haus wieder ein Stück weit lebendig geworden. Für viele Volontäre und die Mitglieder des Teams 2014 war es Heimat und Arbeitsplatz. Junge Menschen aus vielen Ländern fanden dort ihr Zuhause. Eine neue Beheimatung, die das Haus immer schon schenkte? Beheimatung der weltweiten Familie in der Rückbesinnung auf den Beginn, im Schatten des Urheiligtums?

Welche Weihnachtsgnade erwarten wir in diesem Jahre?

Welche Weihnachtsgnade erwarten wir in diesem Jahre? Wenn wir das Wort „Wunder der Heiligen Nacht“ aussprechen, bleiben Geist und Herz mehr als wahrscheinlich am letzten Weihnachtsfeste hängen. Da haben wir alle in tiefgläubiger Weise einen wesentlichen Bestandteil des Wunders der Hl. Nacht erlebt. (…) Was uns noch mangelt, wenigstens  soweit wir das jetzt überblicken, an der Vollendung des Wunders der Hl. Nacht, … das ist die Rückeroberung unseres Urheiligtums und  die Rückeroberung unseres Urschulungsheimes. Es handelt sich nicht um etwas neues, denn in allen Kreisen lebt gegenwärtig die Idee der Rückeroberung des Urheiligtums. Weniger geläufig, weil weniger bekannt ist in diesem Zusammenhange die Rückeroberung des Urschulungsheimes.  (J. Kentenich: Ansprache am Heiligen Abend, Schönstatt 24. Dezember 1966)

Wie weit Pater Kentenichs kühner Glaube ging, bezeugt die Tatsache, dass er bereits am 8. Dezember 1965 auf Karten, die an die symbolische Grundsteinlegung für das Heiligtum in Rom, die an diesem Tag gefeiert wurde, schreiben lassen wollte: "Weihnachten 1965 - Der Festtag, an dem das seit 1941/42 erwartete Wunder der Heiligen Nacht vollendeter beglückende Wirklichkeit geworden ist. J. K." 8.12.65. Die spielerische Art und Weise, in der er das seiner Familie vermittelt, können Sie im letzten Abschnitt des Vortrages vom 8. Dezember 1965 nachlesen.

Ein Wort Pater Josef Kentenichs über Barmherzigkeit

„Alles in allem: Das Wunder der Heiligen Nacht ist in diesem Jahre in einem Grade Wirklichkeit geworden wie bisher noch nie. Es bürgt dafür, dass es Jahr für Jahr sich vollendeter auswirkt, bis die Familie die Fortsetzung in der Ewigkeit erlebt. Was mag das einmal etwas unaussprechlich Schönes und Tiefes sein, wenn wir die neue Kindes-, Vater- und Gemeinschaftsgestalt in unserem ‚Schönstatthimmel‘ die ganze Ewigkeit hindurch kosten und genießen dürfen, wenn das augustinische Wort wahr wird: Videbimus et amabimus in fine sine fine! (Wir werden uns sehen und lieben am Ende ohne Ende!)“

(in: P. Wolf, Unter den Augen des barmherzig liebenden Vaters, S. 23)


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