Typ Frau, Typ Mann - ohne starre Rollenbilder


Artikel 4 von 4 aus der Serie: Der Priester Josef Kentenich und die Frau

Über Jahrzehnte hat P. Kentenich mit zahllosen Jugendlichen, Männern und Frauen gearbeitet. Er konnte durch seine Arbeit gleichermaßen das Zusammenwirken von Männern und Frauen beobachten. Ebenso war er in Kontakt mit separaten Frauen- und Männergruppen. Er widmete den Einzelnen viel Zeit in Gespräch und geistlicher Begleitung.

Das Leben deuten

Seine Beobachtungen und Erkenntnisse, die er über das Menschsein von Frau und Mann formuliert, sind keine Theorien aus Studium und Lektüre, sondern dem konkreten Leben abgelauscht. Wach beobachtet er zum Beispiel, wie Frauen immer wieder auf andere Dinge ansprechen als Männer. Was er aufnimmt, steht dabei nicht absolut nur für sich. Es zeichnet diesen Priester vielmehr aus, dass er Erkanntes in Bezug setzt zu größeren Zusammenhängen und Gesichtspunkten.

Anbindung an Bibel und Tradition

Aus der Orientierung am christlichen Menschenbild ergeben sich für Pater Kentenich viele Grundaussagen, die er aufgreift. Aus dem Alten Testament kommt im ersten Kapitel der Genesis die Feststellung, dass der Mensch als Mann und Frau geschaffen ist. Im Neuen Testament stellt Paulus im Galaterbrief (Gal 3,28) klar, dass Mann und Frau „einer in Christus Jesus“, also gleichwertig sind. Pater Kentenich verbindet die Beschreibung der Gleichwertigkeit mit der Feststellung, dass dabei Mann und Frau in der je originellen Ausprägung ihres Menschseins gleichwertig aber andersartig, also verschieden sind.

Andere Aspekte ergeben sich aus dem Person-Sein. Jeder Mensch ist als Person einmalig, frei, eigenständig, eigenverantwortlich, bezogen auf andere Menschen und letztlich auf Gott. Das gilt auch für Frauen und Männer von heute.

Ergänzung nicht Nachahmung oder Unterordnung

Mit einem einleuchtenden Bild versucht P. Kentenich einzuprägen, dass er Frau und Mann als gleichwertig, aber andersartig versteht. Sie sind angewiesen auf Ergänzung, wie die Brennpunkte einer Ellipse. Die Ellipse hat nicht ein Zentrum, sondern zwei Brennpunkte. In diesem Bild kann man frauliches und männliches Sein in Beziehung denken. Kentenich spricht von einer gegenseitigen Ergänzung „zu einer Zweieinheit im Sein“, die für Mann und Frau grundlegend sind. Verschiedentlich verweist er nicht nur auf die im Bild der Ellipse offensichtliche Ergänzungsfähigkeit, sondern auch auf „Ergänzungsbedürftigkeit“. Frau und Mann sind unterschiedlich und sollen in der Andersartigkeit ihre Eigenwertigkeit sehen und pflegen, immer auch im Blick auf den oder die andere(n).

Ein Plus, ein Mehr

P. Kentenich beschreibt an vielen Stellen, welche Würde die Person schon durch das Geschöpf - und Menschsein hat. Bei aller Betonung des gemeinsamen Menschseins von Mann und Frau will er deren Unterschiede nicht einebnen. Wenn er Eigenschaften beschreibt, die eher auf Männer oder eher auf Frauen zutreffen, formuliert er „ein Mehr oder Plus an“. Er spricht nicht von starren Rollenbildern, in die jeder Mann und jede Frau passen müssen, sondern formuliert Schwerpunkte und Tendenzen.

Die Frau ein Plus, ein Mehr an…

Bei Frauen sieht er ein „Plus an Intuition“, ein „Plus an seelischer Liebe und seelisch-schöpferischer Kraft“. Frauen zeigen ein „Mehr an Leidensfähigkeit“ und ein „Plus an Lebensnähe und Lebensbeziehungen.“ Kentenich sieht diese Spezifika auch in religiöser Perspektive. Wichtig ist bei ihm der Blick auf Maria. Gerade aus der Beziehung zu ihr erwachsen ihm persönlich tiefe Erkenntnisse und auch existentielle Hilfen, die für sein Frauenbild nicht unwichtig sind. Um verschiedene Gesichtspunkte in einem Bild zusammenzufassen, zeichnet er einen „Baum der Frauengröße“. Dies ist eine interessante Vorstellung, bei der auch die religiöse Dimension seiner Typisierungen herausgestellt werden kann. Die Wurzeln zeigen schlichte Kindlichkeit. Der Stamm muss kraftvolle Dienstbereitschaft und selbstlose Mütterlichkeit sein. Die Zweige und Früchte aus solcher Grundlage symbolisieren „intuitive Wahrheitsschau“, also ein Gespür für das, was im Leben wichtig und richtig ist. Andere, heute manchmal auch schwerer verständliche Beschreibungen könnten ergänzt werden.

Der Mann ein Plus, ein Mehr an…

Bei Männern spricht P. Kentenich von einem Mehr an Extrovertiertheit und Gestaltungswillen in gesellschaftlichen Rollen. Mit dem Ausdruck „kraftvolle Männlichkeit“ beschreibt er die Fähigkeit, zielstrebig klar erkannten Ideen zu folgen. Aber auch hier möchte er die religiöse Dimension nicht außer Acht lassen. Immer wieder nennt er als Kurzformel für die Seinsstruktur des Mannes er sei „puer et pater“. Hiermit ist eine Polarität aufgezeigt, die von der vertrauenden Geborgenheit, dem Kindsein vor Gott, spricht und andererseits von „dienender Väterlichkeit“ den Mitmenschen gegenüber. Interessant ist, wie er solche Typisierungen auch mit der körperlichen Beschaffenheit von Mann und Frau verbindet.

Verantwortung füreinander

Noch manche Typisierungen von Mann und Frau könnten benannt werden. Wichtig ist, dass P. Kentenich nie meint, er könne jede Frau und jeden Mann wie in eine Schablone stecken. In jeder Persönlichkeit gibt es Gewichtungen an Eigenschaften, die zwar groben Rollenbildern entsprechen – aber für ihn sind sie nie allgemeingültig, starr und stereotyp. Bedeutsam bleibt, dass er aufmerksam macht auf die Akzente, die sehr wohl unterscheidend zu formulieren sind, die Frauen und Männer an sich und dem Gegenüber beobachten oder neu entdecken können. Zu seinen Lebzeiten spielte die heutige Genderdiskussion und das ‚dritte, neutrale Geschlecht‘ noch keine Rolle. Heute würde er gewiss aus seiner Sicht dazu Stellung nehmen.

Gelingendes Menschsein als Frau und/oder Mann kann sich für Kentenich nur entwickeln in einer gesunden Spannung zwischen der Achtsamkeit auf die persönliche Entfaltung und dem Wissen, dass es im Miteinander der Geschlechter immer um Verantwortung füreinander geht.


Beiträge zu einem umfassenderen Bild in der Causa Kentenich

In Kooperation verschiedener Personen aus der Schönstatt-Bewegung werden im Auftrag des Generalpräsidiums des internationalen Schönstattwerkes Themen bearbeitet, die Pater Josef Kentenich, den Gründer der Bewegung, betreffen und die derzeit angefragt sind. Dies geschieht aufgrund des jeweiligen aktuellen Kenntnisstandes, der sich aus den zugänglichen Dokumenten und Schriften ergibt. Die Ergebnisse der Forschungen und Gespräche sind jeweils in themenbezogenen Artikeln zu lesen. Ihre Vorschläge für Themen weiterer Artikel können Sie gerne senden an: mk@schoenstatt.de.

PressOffice Schoenstatt International

 

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