Gesellschaftlicher Wandel im Frauenbild – bereit für neue Spuren


Artikel 3 von 4 aus der Serie: Der Priester Josef Kentenich und die Frau

Das Leben Pater Kentenichs (1885-1968) fällt in Jahrzehnte epochemachender Veränderungen des Frauenbildes und Selbstverständnisses von Frauen.

Umbrüche vorprogrammiert

Einerseits erlebt er Umbrüche gewachsener gesellschaftlicher Strukturen bei den Geschlechterrollen und auch Veränderungen in den Einsatzfeldern von Frauen in den 20er Jahren. Die um die Jahrhundertwende aufkommenden philosophischen und gesellschaftspolitischen Strömungen waren nicht zu übersehen. Noch näher befasste sich P. Kentenich mit theologischen, spirituellen und soziologischen Fragen um das Frauenbild, als er das Wachsen seiner Gründung der Marienschwestern mit zu gestalten hatte und zugleich sah, wie schnell die Teilnahme von Frauen in der Schönstatt-Bewegung zunahm. Der zweite Weltkrieg und seine Folgen brachten manch anderes ungeplant dazu. Vielfach zeigte sich, wie selbstverständlich und gekonnt Frauen Verantwortung in Familie und Gesellschaft wahrnahmen und Bereiche beherrschten und ausfüllten, zu denen ihnen bisher der Zugang verwehrt war. Über die Rolle der Frauen in der Kirche wurde seinerzeit noch nicht breiter diskutiert.

Solche Entwicklungen nahmen P. Kentenich und die vielen Menschen, mit denen er im Gespräch war, sehr wohl auf. Freilich galt es dabei auch kritisch zu fragen, was aus Not geschehen musste und was künftig nicht unbedingt im breiten Spektrum der Aufgaben blieb, die besonders von Frauen gelöst wurden. Neue Spuren waren gelegt.

Mut, den Spuren nachzugehen

Ob und wie solche Veränderungen wirksam wurden, war nicht selbstverständlich. Für P. Kentenich galt wie immer die Devise: Zeitenstimmen sind Gottesstimmen. Deshalb ging es in seinen Überlegungen und seinem Handeln nicht um Buchweisheiten, sondern um die Beobachtung des Lebens, um viele Gespräche und von dort her um ganz unterschiedliche Facetten der neuen Entwicklungen. Entscheidend und beachtlich ist, dass er Frauen viel zugetraut hat. Er ermutigte sie zu handeln und ihre Fähigkeiten zum Einsatz zu bringen. Frauen bekleideten in der neuen Gemeinschaft Ämter mit viel spiritueller, sozialer und wirtschaftlicher Verantwortung. Berufsausbildungen für Frauen waren für Kentenich früh ein Ziel. Er hat junge Frauen zum Studium angeregt und mitunter auch zur Promotion. Schon 1945 gründeten, im Vertrauen auf sein Mitgehen, Marienschwestern die Marienschule in Vallendar. Bis in die 1960 er Jahre waren in dieser sehr angesehenen Schule nur Schwestern als Lehrerinnen. P. Kentenich hat Frauen solche Aufgaben selbstverständlich zugetraut. Von zwei jungen Schwestern der dreißiger Jahre weiß man, was gewiss für mehrere galt. Er wollte hören und verstehen. Für den späteren Einsatz am Gymnasium studierten die beiden unterschiedliche Fächer an der Uni. P. Kentenich gab ihnen Fahrgeld, damit sie jede Woche nach Schönstatt kommen und ihm berichten konnten, was gelehrt und wie studentisch gelebt wurde. Es ist bis heute an Personen und vorhandenen Schriften zu sehen, wie reichlich er dann bei Kursen und in Einzelbegleitungen Impulse gab und in die persönliche Führung investierte.

Berufsvielfalt als christliches Engagement

Erst etwas skeptisch, aber schon Anfang der 1940er Jahre unterstützte er mit voller Überzeugung, dass Frauen nicht in Gemeinschaft zusammenlebten, sondern mitten unter anderen Menschen in der Gesellschaft und auch in nicht religiösen Umgebungen ihre Berufe ausübten. Als das Säkularinstitut der ‚Frauen von Schönstatt‘ 1946 konstituiert wurde, sagte er in seinem Vortrag an die versammelten Frauen: „Ob das nicht nur so irgendwie ein Zugeständnis ist? Nein, ich glaube an Sie.“ Es war mutig, die ganz unterschiedlichen Berufe für Frauen in dieser Gemeinschaft ehrlich zu wollen und zu unterstützen - von der Ärztin, der politisch Verantwortlichen, der Fabrikantin, bis zur Universitätslehrerin. Die Selbstständigkeit und Selbstverantwortung von Frauen hing freilich nicht an einer akademischen Ausbildung. Denkt man etwa an den Einsatz von Marienschwestern in der Schönstatt-Bewegung, waren sie überall anzutreffen. Sie fuhren durchs Land, um einzelne und Gruppen zu begleiten oder auch einen Beruf auszuüben. Unterstützend war auch hier die Überzeugung des Gründers: Ich glaube an Sie!

Andere Länder und Kulturen

In den Jahren seiner Gefängnis- und KZ-Haft in Dachau (1941-1945) und später auf seinen Weltreisen (Afrika, Südamerika 1947-1950) sieht P. Kentenich noch ganz andere Spuren und Frauenbilder. Besonders in den Jahren seines USA-Aufenthaltes (1952-1965) lernt er weitere Facetten im Verhalten und in der Entwicklung von Frauen kennen. Wichtige Ermutigungen kommen von ihm jetzt auch für Ehefrauen und Familienmütter, zu denen er in der deutschen Gemeinde viele Kontakte pflegte. Gerade gegen Ende seines Lebens nimmt er dann auch in Deutschland wach auf, was sich mit den Bestrebungen der 1960er Jahre im Blick auf unterschiedliche Frauentypen verändert. Er sieht immer beides – Chancen und Anfragen.

Offen, aber auch kritisch beobachten

P. Kentenich zeigt sich immer offen und bereit für neue Entwicklungen. Er will aber auch kritisch unterscheiden, was im Wandel hilfreich sein wird und was vielleicht auch Fehlentwicklungen werden können. Viele seiner Ausführungen zum Thema Frau gelten deshalb für alle Frauengemeinschaften. Doch er betont auch bei einzelnen Gemeinschaften besondere Akzente, die ihm wichtig waren. Neben dem, was sich global und gesellschaftlich verschiebt und weiter entfaltet, ist es sehr wichtig aufzunehmen, dass Kentenich etwa 50 Jahre als Priester für Frauen gearbeitet hat. Wir ahnen wohl kaum, wieviele unterschiedliche Frauengenerationen und Frauentypen ihm da begegnet sein mögen. Kenntnisse aus geistlicher Begleitung von vielen unterschiedlichen Frauen erweitern auf eigene Weise seine Sicht. Dazu kommt, dass er in all den Jahren immer auch Vergleichsmöglichkeiten bei vielen Männern hatte und so auch seine Erkenntnisse sichern konnte.

Entscheidend bleibt sein Mut, seine gesunde Neugier und sein Wille, bereit zu sein für neue Spuren. Sobald er davon überzeugt war, zögerte er nicht, sich ermutigend hinter Frauen zu stellen.


Beiträge zu einem umfassenderen Bild in der Causa Kentenich

In Kooperation verschiedener Personen aus der Schönstatt-Bewegung werden im Auftrag des Generalpräsidiums des internationalen Schönstattwerkes Themen bearbeitet, die Pater Josef Kentenich, den Gründer der Bewegung, betreffen und die derzeit angefragt sind. Dies geschieht aufgrund des jeweiligen aktuellen Kenntnisstandes, der sich aus den zugänglichen Dokumenten und Schriften ergibt. Die Ergebnisse der Forschungen und Gespräche sind jeweils in themenbezogenen Artikeln zu lesen. Ihre Vorschläge für Themen weiterer Artikel können Sie gerne senden an: mk@schoenstatt.de.

PressOffice Schoenstatt International

 

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