Jubiläum 2014

„Wir müssen arbeiten an einer Kultur der Begegnung“

10339783_828192757201903_2217401073059325113_n.jpg„Sie spüren unsere Zuneigung. Und wir spüren, wie gut es ist, einen Papst zu haben, der die Herzen der Menschen erreicht“, eröffnet Pater Heinrich Walter am Samstagmittag am Beginn der Privataudienz sein Grußwort an Papst Franziskus. Treffender hätte der Vorsitzende des Generalpräsidiums Schönstatts die Begeisterung zum Einzug des Hausherrn nicht beschreiben können. Früher als erwartet kommt der Heilige Vater am Samstagmittag in die Audienzhalle Paul VI. Die Aufregung unter den Besuchern ist gewaltig. Jugendliche skandieren lautstark. Viele Pilger stehen auf ihren Stühlen, um einen Blick auf den Pontifex Maximus zu erhaschen. Hunderte von Händen strecken sich Franziskus entgegen, während er die Menschen grüßt, ihnen väterlich die Hände reicht, sie segnet.  Jubel und Applaus brandet auf, als der Papst ein Baby küsst. Die rund 8000 Pilger der Schönstatt-Familie bereiten dem Heiligen Vater einen triumphalen Einzug. Die Freude ist gewaltig. Die Pilgerfahrt nach Rom, zum Herzen der Weltkirche, hat nach den Besuchen der römischen Heiligtümern Matri Ecclesiae und Cor ecclesiae sowie der Wallfahrt vom Grab des hl. Vinzenz Pallottis zum Petersplatz ihren Höhepunkt erreicht.  

Zwei Stunden – und damit weit länger als üblich – nimmt sich Papst Franziskus Zeit, um den Mitgliedern der Schönstatt-Bewegung - Pilger aus 50 verschiedenen Nationen und allen Kontinenten und doch eine weltweite Familie - zu begegnen. Fünf Fragen von Vertretern Schönstatts beantwortet der Heilige Vater. Franziskus fordert dazu auf, eine „Kultur der Begegnung“ zu prägen: „Heute erleben wir immer gravierendere Auseinandersetzungen, ein Auseinanderfallen in der Familie, in der Gesellschaft, auch in der Verkündigung.“ In einer Zeit, in der menschliche Bindungen zerstört würden, müssten Beziehungen neu geknüpft und Bindungen geschaffen werden. „Wir müssen arbeiten an einer Kultur der Begegnung“, sagte der Heilige Vater. Eine solche Kultur der Begegnung, „eine Kultur des Bündnisses“ führe zu einer neuen Solidarität in Gesellschaft und Kirche.

DSCN4175.JPGFranziskus forderte die Gemeinschaften Schönstatts dazu auf, stärker missionarisch zu wirken: „Eine Kirche, die nicht aus sich herausgeht, ist eine komische Kirche. Eine Bewegung, die verschlossen ist in sich selbst, wird krank.“ Der Heilige Vater warnte davor, sich um sich selbst zu drehen: „Wir gehen hinaus, um etwas zu geben, und nicht um uns um uns selbst zu drehen“, sagte der Papst. Als Bewegung innerhalb der Kirche dürfe man nie vergessen, dass Christus notwendigerweise im Zentrum stehen müsse. Verliere man ihn aus den Augen, befinde man sich auf dem falschen Weg. Der Heilige Vater betonte auch die Rolle Marias, um zu Christus zu finden: „Soweit wir Jesus auch kennen mögen: Niemand kann sagen, dass er so reif ist, auf Maria zu verzichten. Niemand kann auf seine Mutter verzichten“, sagte der Papst. Christen seien keine Waisen, sondern hätten eine Mutter, die im Glauben erziehe und begleite. „Sie bringt uns Jesus näher, damit er mit uns lebt.“

Jugendliche sollen attraktives Zeugnis für Glauben geben

Die Jugendlichen der Schönstatt-Bewegung forderte der Heilige Vater auf, ein „attraktives“ Zeugnis für den christlichen Glauben zu geben. Dabei erinnerte Franziskus an eine Aussage des emeritierten deutschen Papstes Benedikt XVI. „Die Kirche wächst nicht durch Proselytismus, sondern durch Anziehung. Anziehung entsteht durch Zeugnis. Gebt Zeugnis!“, sagte Franziskus. Welche große Herausforderung das im Heute bedeutet, ist sich der Papst bewusst. Es reiche nicht einfach aus, lediglich Werke der Nächstenliebe zu tun. Es geht darum, ein „Zeugnis des Lebens“ zu geben. „Wie lebe ich? Führe ich ein Doppelleben? Nenne ich mich zwar Christ, aber lebe ich wie ein Heide?“, fragt der Heilige Vater? Als Christ zu leben, stelle eine Entscheidung dar, die erst ein authentisches Zeugnis ermögliche. Gleichzeitig mahnte der Papst davor, in den Anstrengungen zu ermüden. Dahinter stehe oftmals Egoismus und Bequemlichkeit.

Nach der vor einer Woche zu Ende gegangenen Bischofssynode zur Familienpastoral der Kirche waren die päpstlichen Aussagen zu Ehe und Familie mit großer Spannung erwartet worden: Franziskus spricht über die Krise der christlichen Familie, die in der Krise des Ehesakraments gründet: „Ich denke, dass die  christliche Familie, die Ehe, noch nie so angegriffen wurde wie heute.“ Die heutige Gesellschaft gefährde mit ihrer „Kultur des Provisorischen“ das Eheverständnis und die Existenz der Familie überhaupt. Das Ehesakrament sei immer stärker entwertet und auf ein Versprechen oder einen Lebensstatus reduziert worden. „Soziales überlagert das Hauptsächliche: Die Einheit mit Gott.“ Es sei deshalb wichtig, sich wieder darüber bewusst zu werden, was man in einer Ehe überhaupt tue. Zugleich mahnte Franziskus konkrete Hilfe „von Mensch zu Mensch“ an. Man müsse die Menschen begleiten – dabei „Zeit verlieren“. Jesus Christus sei „der Meister des Zeitverlierens“ gewesen. Diese tiefe Begegnung von Mensch zu Mensch sei Schlüssel zu vielen Problemen. 

IMG_2113.JPGBeeindruckt zeigte sich Papst Franziskus von der Haltung Pater Kentenichs. Trotz der erfahrenen Ablehnung seiner Sendung durch die Kirche habe Kentenich auf die Zurückweisung nicht mit Wut oder Vergeltung reagiert, sondern Durchhaltevermögen bewiesen. „Das ist das Zeichen für einen Propheten“, deutete Franziskus das Geschehen. Falsche Propheten seien niemals zurückgewiesen worden, weil sie den Mächtigen sagten, was sie hören wollten. Kentenich habe Mut und Durchhaltevermögen bewiesen - Eigenschaften, die selbstverständlich für Christen sein sollten auf ihrem Weg zur Heiligkeit. Nach einem heiligmäßigen Leben zu streben, könne Kirche und Welt erneuern. „Ich bitte euch um Heiligkeit – Das wird die Kirche erneuern.“

Der Begegnung mit dem Heiligen Vater war ein Treffen mit Repräsentanten unterschiedlicher christlicher Gemeinschaften und Orden, darunter die Pallottiner, vorangegangen. Bereits am Freitagabend waren über 1000 Menschen vom Grab des Heiligen Vinzenz Pallottis bis zum Petersplatz gepilgert. Vinzenz Pallotti, Gründer der Gemeinschaft der Pallottiner, der auch der Gründer der Schönstatt-Bewegung, Pater Josef Kentenich, lange Jahre angehörte, war einer der großen Vorbilder Pater Kentenichs. 


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